Postkarten von mir

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Ich arbeite in einer schönsten Städte Deutschlands, sagt man wenigstens. Die Millionärsdichte ist fast so hoch, wie in Königstein im Taunus, hört man so. Es ist ja auch egal, ob es denn stimmt, wen interessiert so was schon, außer den Erbsenzählern, die dort die Villen bevölkern. Es ist eine schöne Stadt, droben im älteren Teil, die Wohnsilos, drunten in der Ebene, die vergessen wir dabei, die hat es schließlich überall.


Zwei Burgen, ein Schloss, zwei bewundernswerte Parks und der Marktplatz als gigantische Spielwiese für all die Eitelkeiten, rund um La Cantina, die Flaniermeile an all den Biergärten vorbei. Da traut sich keiner hin mit den Seidenballon-Jogging-Hosen, die trinken sonst wo. Hier ist man geschminkt und der Sakko hängt lässig über der Schulter, das Buisness-Schwarz trägt schwer an den Akten, die ja auch über den Marktplatz müssen, bevor man das Spitzmäulchen im Prosecco badet. Hier arbeite ich also seit 30 Jahren, die Burgen selbst während der Arbeit fest im Blick und zum Feierabend beginnt die Flucht, wer will schon all die lieben Kollegen auch noch am Abend treffen, die gleichen Sprüche hören, Sehnsüchte verschleiern, Begehrlichkeiten tauschen.

Aber ab und zu trifft es mich, wenn der Himmel ein wittelsbachisches Blau-Weiß überzieht und Weinheim ruft. Es ist schwierig, aber es geht, die touristische Annäherung an die Arbeitsstadt. Also zieh ich kurze Hosen an, hänge die Kamera um, stecke den mp3-Player in die Brusttasche und ziehe los, benehme ich wie so ein verdammter Touri und sauge all die Schönheit in mich auf, die in der Landschaft herumsteht, sich am Blick des Sehenden festbeißt. Es interessiert mich dann nicht die Arbeitslosenzahlen, die der Konzern dort unten in die Höhe treibt, all die Schwarzhöschenträger mit den Knitterkanten. Nein, ich denke nicht darüber nach, welcher Gestank in den alten Gerbergässchen einmal geherrscht haben musste, als selbst die Chromgerbung noch nicht erfunden war, ach Gottsche nee, natürlich weiß ich, dass das auch in Weinheim war.

Und dann lauf ich mit Samba im Ohr und laufe, laufe, laufe und sehe, fotografiere. Ich bade meine Augen in den Bäumen, deren Namen ich nicht kenne, die ich auch nicht aussprechen will. Die Zehen stehlen sich aus den Sandalen, streicheln die gerundeten Steine des Kopfpflasters, die Röcke der Frauen wippen im Takt zu meinem Lächeln, aber ich bleibe nicht stehen. Nichts steht, alles wandert in meinen Kopf und vertreibt das letzte Jahr. Ich strebe meinem persönlichen Altar zu, dort wo ich all die bösen Worte opfere, die ich im Laufe über die Stadt und ihre Bewohner erdachte. Im Exotenwald, unter den Riesen, die dort unser Klima ertragen, uns und mich. Erhaben strecken sie ihre Gipfel in den seidenblauen Himmel, spielen Verstecken mit der Burg drüben, die einst die Räuber herbergte, sagt man.


Wenn ich am Montag wieder die Straßenbahn besteige, die Altstadt, samt ihren Bürgerbesteigungen und Waldtümlichkeiten, den Alten und Touris überlasse, werde ich trotzdem noch das sanfte Lächeln der lila Mountenbiker vom Wald dort in mir tragen. Wie gesagt, ich arbeite in einer der schönsten Städte Deutschlands, sagt man wenigstens so. die Stadt der Mammutbäume und Exoten, pass ich doch dazu oder?

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