Kurfürsten, Kirchner, Cranach, alles frisch gebohnert

tl;dr
Ich war in drei Museen in Aschaffenburg und auf dem Weihnachtsmarkt. Der zweite Beitrag zu meinem Format „Weihnachtsmarkt und Museum 2018“
/tl;dr

Vor zwei Jahren war ich zuletzt in Aschaffenburg, ich berichtete.

Ave Aschaffenburg!


Damals war mir nur an den Parks gelegen. Heute erkundete ich die Museen, von denen es erstaunlich viele gibt, in einer Stadt mit noch nicht einmal 70000 Einwohnern. Nicht nur die Städtischen Museen,  der Verein KirchnerHaus betreibt im Geburtshaus von Ernst Ludwig Kirchner einen Ausstellungsraum und dort findet noch bis zum 30.12.2018 „Kirchners Kosmos: Der Tanz“ statt.

Schon im ersten Post der Reihe in Mannheim suchte ich nach Kirchner, am Sonntag will ich nach Bonn in die Bundeskunsthalle zu Kirchner: „Erträumte Reisen.“

Tannenbaum geht nach New York

Die Kirchnerausstellung ist erst ab 16:00 geöffnet, also besuchte ich zunächst das Schlossmuseum in diesem wuchtigen (Protz)Bau der Kurfürsten aus Mainz, die hier ihren Zweitwohnsitz hatten und ihre Macht demonstrierten.

Schloss Johannisburg, Aschaffenburg

Leider besteht Fotografierverbot. Ich hatte zwar im Vorfeld gemailt und bekam eine Liste von Abteilungen, wo ich dürfte, aber von hochladen zum Blog war keine Rede, außerdem wollte ich nicht mit der Aufsicht diskutieren müssen. Vielleicht überlegen sich die Aschaffenburger Museen ja einmal, wie sie es mit Bloggern halten wollen. Guck an beim Digitalen hilft ja Christian Gries. Er könnte ihnen ja zeigen, wie das die Kunsthalle in Karlsruhe handhabt, falls das angedacht wäre.
Nichts desto Trotz ist das Schlossmuseum sehenswert, auch wenn es sich im Umbau befindet, also nicht nur digital. Bürgerliche Wohnkultur dominiert derzeit, auch hier gibt es einige Tafeln zur Provenienzforschung. Längere Zeit verbrachte ich in der Abteilung „Zeitgenössische Kunst“, in der erworbene Werke Aschaffenburger Künstler gezeigt werden. Das ist eine gute Idee, lokale Kunst zu fördern und die kann sich absolut sehen lassen. Besonders inspirierte mich eine Skulptur von Ralf Münz „Autogramm“. Ist hier (im Augenblick) auf seiner Homepage zu sehen.
Wie gesagt, das Schloss wird renoviert, ist eine Baustelle. Vieles fehlt, ist verwirrend. Die Gemäldeausstellung gehört wohl den „Bayrischen Schlössern“. Das wird wieder, auch wenn die anderen Baustellen beendet sind.

Baustellenplakat Aschaffenburg

Für mich das Highhlight im Schloss: Die öffentlich zugängliche Kapelle, die auch als Gotteshaus genutzt wird, also traute ich mich zu knipsen. Den Hochaltar hätte ich bestimmt noch länger betrachtet, ein riesiges Theatrum Sacrum, ein heiliges Theater aus Alabaster von Hans Juncker, wenn es nicht so kalt gewesen wäre und der Mantel weit weg im Kassenraum.

Die Stiftskirche und ihr Cranach lockte. Ich war gespannt. Die Kirche, die Albrecht von Brandenburg mit seinen Kunstwerken bedachte, aus Halle vertrieben. Der mächtigste Mann in der Kirche nach dem Papst, der die Reformation mit Tetzel befeuerte und nicht verhindern konnte. Von Aschaffenburg aus. Eine tragische Figur. Bis 1973 wurde kein Bischof von Mainz mehr Kardinal. Rom vergibt schlecht. Kardinal Volk konnte es nicht leiden, wenn man ihn auf seinen Kardinalsvorgänger ansprach. Ich hatte auch solche, äh nun, Begegnungen mit ihm, aber das sind andere Geschichten, aber eins hat immer mit dem anderen zu tun, im Gegensatz zu Aschaffenburg gehören wir hier ja immer noch zur Diözese Mainz, trägt unsere Stadt das Mainzer Rad im Wappen. Verbindungen. Überhaupt. Falls es den Aschaffenburger Museen einmal langweilig wird könnten sie ja einmal eine Ausstellung machen zu ihren berühmten Bischofs-Kurfürsten, die sie auch äußerlich prägten. Den Brandenburger haben sie ja schon eingetütet. Friedrich von Erthal, der den Park Schönbusch erschaffen ließ, sein Nachfolger Karl Theodor von Dalberg, dessen Bruder in Mannheim den Schiller als Dramaturg holte, der letzte der Kurfürsten und zum Schluss das Herzogtum Frankfurt von Aschaffenburg aus regierte, irre, oder? Aber vielleicht gab es das ja schon oder wird im Schloss wieder eingerichtet, vielleicht tappte ich auch vorbei. Also die Stiftskirche St. Peter und Alexander, eine Basilika Minor.

Kreuzgang Stiftskirche Aschaffenburg

Und was hängt da an der Wand?

Die Stiftskirche ist Ausgangspunkt einer Route des Jakobswegs nach Colmar. Klick ins Bild zur Fränkischen St. Jakobus Gesellschaft.

Immer hängt alles mit allem zusammen. Bämm.
Schrieb ich nicht vor kurzem etwas ähnliches? Für die Blogparade #SalonEuropa.

Sternenwege nach Europa


Selbstverständlich gibt es eine gemeinsame christliche Vergangenheit in Europa samt Gegenwart, die aber nix zu tun hat mit dem Gepopel der Schreihälse. In Aschaffenburg stellt übrigens nicht die CSU den OB. :)
Die Ausstattung der Kirche ist phänomenal. Da musste der Tetzel eine Menge Ablasszettel verkaufen, ein Grünewald z.B.

„Die Beweinung Christ“i von Matthias Grünewald.

Es wurde aber duster, früh, wie üblich im Dezember, man sah das alles nicht mehr richtig und ich wollte doch noch in Museum nebenan und der Kirchner wartete doch auch noch. Da gehe ich im Sommer noch einmal hin, wenn die Sonne hellt.
Die Wikipedia dazu zeigt für Euch so ziemlich alles.
Dann das dazugehörige Stiftsmuseum. Ein Juwel. Lasst euch nicht abschrecken. Das ist nur ein kleiner Raum.

Hinweisschild im Stiftsmuseum Aschaffenburg. Wie auch das Beitragsbild oben auch.

Ich hielt mich nicht viel auf, mich zog es nach oben. Die Römer und die Archäologie gibt es anderswo auch, aber dieser Stiftsschatz (ein komisches Wort) ist sensationell. Mein Handygeknipse gibt die Pracht nicht richtig wieder. Man darf hier übrigens knipsen, klar ohne Blitz. Hier ist die Digitalisierung schon weiter fortgeschritten. Dafür passte das Personal auf, dass man genau den Rundgang einhielt, nicht etwa ausbüchste. Hielt dazu freundlich, aber bestimmt die Türen auf. Ich amüsierte mich.

Stiftsschatz im Stiftsmuseum Aschaffenburg.

Es glitzerte und nichts war protzig, wahre Meister der Goldschmiedekunst.
Ich hatte noch nie Lucas Cranach live gesehen und war überwältigt. Selbst wenn es der Brandenburger auf den Bildern war, samt seinem Kebsweib. Ich grübelte tatsächlich, ob dies Originale wären, so satt sind die Farben, sie leuchten, als wären es Cadmium-Farben. Ja, ja, ich bin so alt und kenne die Pigmente.
Das sieht derart fotorealistisch aus. Wahnsinn. Auch hier kann das Smartphone nicht annähernd die Gemälde wiedergeben.

Lucas Cranach: Albrecht von Brandenburg.

Noch ganz geblendet ging ich den Weg zum KirchnerHaus.

Screenshot der Seite Kirchnerhaus in Aschaffenburg. Klick zur Homepage

Auch hier war ich geflasht. So kannte ich Kirchner nicht. Erstaunlich wie wenig Striche mit einem Zimmermannsbleistift er brauchte um Bewegung darzustellen. Fotos und Gemälde untereinander. Gesellschaftstanz, Bauerntänze, Ausdruckstänze. Chronologisch gehängt. Eine eindrückliche Ausstellung. Auch das Bild oben auf dem Screenshot. Man durfte nicht knipsen. Verständlich, da waren so viele private Leihgeber dabei. Das mit dem Bloggen wurde misstrauisch beäugt. Ich wollte auch nicht um die Pressemappe betteln. Ich hätte früher fragen sollen, aber ich mache das lieber spontan. Interessant die Leihgaben des Museums Folkwang zu einer Ausmalung des Festsaales, die nie zustande kam. Guckt.
Jetzt habe ich Lust das Museum Folkwang zu besuchen um zu sehen, was da nicht ausgemalt ist. #seufz. Alles führt immer zum nächsten.

Ich war abgefüllt. Mit Kunst. Mein leibliches Wohl schrie nach Befriedigung.
Der Weihnachtsmarkt ist nicht groß. Bei Dunkelheit wirkt das Schloss eher bedrohlich, wie ein Gebirge ragt es auf.

Ich sah aber nur freundliche Gesichter, auffallend auch viele Hintergründler, migrantische, fröhlich und unbedrängt Reibekuchen futternd. Es gab auch viele Heiße Säfte. Überhaupt glüht man gerne so allerlei.



Mir war aber nach warmer Bude und essen im Sitzen und ich fand: Noch ein Museum mit Bierkönigin. Das ist auf keiner Museumsseite erwähnt, dabei ist die Biermarke längst Geheimtipp bei uns und Kultgetränk.
Das wäre doch einmal eine kulturpädagogische Maßnahme, auch dem Stammtisch huldigende Menschen zur Kunst zu locken. (Entschuldig, in meiner Twittertimeline lese ich wohl zu viele Vermittler*innen.)
Warum jetzt im Schlappeseppel Brauhaus Würzburger Bier ausgeschenkt wird ist ein weiteres Rätsel aus Franken. Vielleicht weiß das die Bierkönigin Latifah Wilson?

Schlappeseppel Biermuseum Aschaffenburg

Ich aß genüsslich im Biersepp zu einem Schlappeseppel. Die kleine Portion, gell.
Auf dem Weg zurück zum Bahnhof, das ganze spielte sich in 5 Minuten-Lauferei ab, dann doch noch einen weißen Glühwein. Fränkisch, angeblich, das asiatische Personal wusste den Winzer nicht zu nennen. Nun gut, ich war ja nicht in Rheinhessen oder der Pfalz. Aber über „herb“ müssen wir reden, Aschaffenburg.

Auf der Fahrt nach Hause parlierte ich mit einem jungen Studenten, den interessierte, warum ich Museumsplakate mit mir führte, die ich (%$§????) nochmal, später in der Straßenbahn vergaß. Er war erstaunt, welche Kunstschätze seine Studienstadt beherbergt und er eigentlich nur wusste, dass seine Eltern in der Stiftskirche heirateten und im Park Schönbusch feierten. Er war sehr interessiert. Vielleicht liest er hier mit. *winkt
Alles hängt irgendwie alles mit allem zusammen. Es war Abend, es ward Sonntag. Kirchner dann in Bonn. Ach ja das Kunstforum. Und alles mit allem. Bonn war die Regierungsstadt und Zweitwohnsitz der Kölner Bischofs-Kurfürsten.

Ich denke über eine Woche Urlaub in Aschaffenburg nach. Wenn es gut wettert und der Sommer nicht die Hölle ist. Mit dem Rad. Würzburg und Ochsenfurt rufen auch. #zischtgenießerisch